10.09.2019

Frauen in der Wissenschaft: Interview mit Dr. Verena Schöwel von MyoPax

Eine regenerative Therapie gegen Muskelschwund zu entwickeln, ist eine herausfordernde Aufgabe. Das Team von MyoPax hat sich aber genau das zum Ziel gesetzt, um Menschen mit bisher unheilbaren Muskelkrankheiten zu helfen. Wie die Therapie funktioniert, erzählt Dr. Verena Schöwel aus dem MyoPax-Team. Wir haben sie auch nach Ihren Erfahrungen als Frau in der Wissenschaft und nach den Herausforderungen der Arbeit in der Medizinbranche gefragt.

Wie war Ihr beruflicher Werdegang?
Ich habe relativ früh beschlossen, Medizin studieren zu wollen – mit dem Berufsziel Ärztin. Innerhalb meines Studiums habe ich meine Doktorarbeit in der klinischen Pharmakologie an der Universität Heidelberg absolviert. Nach meinem Abschluss bin ich an der Charité erstmals Prof. Dr. Simone Spuler begegnet, die mich in die Welt des Skelettmuskels eingeführt hat. Ich habe von ihr lernen dürfen, Krankheiten in diesem Bereich zu diagnostizieren. Das ist eine mehrere Fachdisziplinen übergreifende Aufgabe und viele dieser Krankheiten sind selten und kausal nicht therapierbar. Deshalb ist es wichtig, die Betroffenen kontinuierlich in speziell qualifizierten Zentren zu begleiten. In dieser Zeit habe ich auch geforscht, um verschiedene Therapieansätze zu evaluieren. Vor drei Jahren habe ich die Möglichkeit bekommen, an der Entwicklung eines neuen Zelltherapeutikums mitzuwirken und habe mich dafür in einem MBA Studium mit Themen der Gesundheitsökonomie eingehender befasst.
Was ist das Ziel Ihrer Forschung?
Wir entwickeln eine zelluläre Therapie gegen Muskelschwund. Muskelschwund ist die Folge verschiedenster Erkrankungen und führt zu den unterschiedlichsten Symptomen: Man kann nicht mehr gehen, seine Hände nicht mehr bewegen oder nicht mehr selbstständig atmen. Vielleicht wird man auch inkontinent. Patienten können ihre Selbstständigkeit verlieren und in einigen Fällen auch früh an den Folgen versterben. Bisher ist Muskelschwund nicht therapierbar. Jedoch haben Muskeln einen klaren Vorteil: Sie besitzen ihre eigenen Stammzellen, mit deren Hilfe sich Muskeln bis ins hohe Alter immer wieder aufbauen. Meine Kollegen haben eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, aus Muskelgewebsbiopsien Muskelstammzellen so zu isolieren und sozu vermehren, dass sie ihr regeneratives Potenzial beibehalten. Wenn man diese Zellen ins Gewebe zurücktransplantiert, bauen sie effektiv Muskel auf. Diese Technologie wollen wir mit MyoPax nutzen.
Wie weit sind Sie schon in Ihrer Forschung?
Ein Muskelstammzellenprodukt, wie wir es entwickeln, fällt in einen sehr spezifischen Bereich von Arzneimitteln: den Advanced Therapy Medicinal Product (ATMP). Das ist eine relativ neue Gruppe von Arzneimitteln, die Zellen, Gewebe oder Gentechnologie umfasst. Sie unterliegt eigenen Regularien. Bisher wurden nur 13 Arzneimittel dieser Art in der EU zugelassen. Bevor wir Muskelstammzellen tatsächlich in einer klinischen Studie, und somit im menschlichen Körper verwenden dürfen, müssen verschiedenste Voraussetzungen erfüllt werden. Das betrifft zum einen die Herstellung der Zellen, zum anderen muss die Wirkung und Sicherheit nachgewiesen werden. In genau diesem Stadium befinden wir uns aktuell. Wir erwarten, dass wir 2021 die erste klinische Studie beginnen können. Die Wirksamkeit der Zellen haben wir bereits im Tiermodell nachgewiesen. In wenigen Wochen startet die präklinische Sicherheitsprüfung. Die pharmazeutische Herstellung können wir schon gewährleisten und wollen damit zeitnah einen ersten Nutzen für Patienten schaffen.

Bei Patienten mit progressiven Muskelkrankheiten gehen durch den fortschreitenden Muskelabbau ihre eigenen Stammzellen unwiederbringlich verloren. Dieser Patientengruppe möchten wir jetzt schon die Möglichkeit bieten, ihre Stammzellen für die individualisierte Therapieentwicklung und eine mögliche zukünftige therapeutische Verwendung langfristig zu sichern. Wir streben deshalb zeitnah die Etablierung einer arzneimittelkonformen Gewebebank für humanen Muskel an.

Welche weiteren Hürden mussten Sie während dieser Arbeit überwinden?
Es geht um seltene Krankheiten und eine zellbasierte, patientenspezifische Therapiemöglichkeit. Außerdem handelt es sich um zunächst kleine Absatzmärkte und eine teure, nicht den klassischen Gesetzmäßigkeiten folgende Therapieentwicklung. Da ist es wirklich nicht trivial, eine geeignete Finanzierung auf die Beine zu stellen. Diese intermediäre Phase zwischen Forschung und klinischer Produktentwicklung wird ohnehin gerne als „Valley of death“ bezeichnet. Da sind wir jedes Mal dankbar, wenn wir eine solche Hürde überwunden haben, denn die Schwierigkeit gehört gleichzeitig zum Erfolg.
Von wem wurden Sie unterstützt?
Wir arbeiten an der Arzneimittelentwicklung innerhalb der Universitätsklinik in Berlin, der Charité, und des Max-Delbrück-Centrums, einem Forschungsinstitut der Helmholtz Gemeinschaft. Beide Institute haben eigene Technologietransfers, eine gemeinsame translationsfördernde Einrichtung, das Berlin Institute of Health und eine sehr gewinnbringende Initiative namens Spark. Auch die Helmholtz Gemeinschaft selbst bietet hilfreiche transferorientierte Förderinstrumente. Aktuell darf ich Teil der Initiative Helmholtz Enterprisesein, die es mir erlaubt, innerhalb des Instituts über Gründungsthemen zu lernen, an einer Geschäftsmodellentwicklung, Strategie und Finanzierung zu arbeiten. Auch zahlreiche externe Personen, die wir im Verlauf haben kennenlernen dürfen, begleiten uns mittlerweile auf unserem Weg. Wir haben von ihnen viel Feedback und Tipps erhalten. Dazu zählen auch die Erfahrungen aus dem Science4Life Wettbewerb.
Was waren Ihre Erfahrungen mit Science4Life?
Wir haben in der letzten Runde 2018/19 an der Ideenphase und der Konzeptphase teilgenommen. In beiden Phasen hatten wir die Chance, bei den entsprechenden Veranstaltungen dabei zu sein. Insgesamt waren drei Aspekte für uns besonders hilfreich: Erstens stellt Science4Life einen äußeren Rahmen für die Businessplanerarbeitung, der strukturiert und zeitlich diszipliniert. Zweitens haben wir viel konstruktives Feedback nach den Einreichungen von den Gutachtern erhalten. Drittens haben wir bei den Veranstaltungen daran arbeiten können, unsere Idee prägnant vorzustellen. Eine wirklich schöne Erfahrung war es, dass wir so viele Entrepreneure im Life Science Bereich kennengelernt haben. Mit dem Science4Life Preis für unser Geschäftskonzept ausgezeichnet worden zu sein, motiviert ganz klar. Die Teilnahme lohnt sich und ich würde es auch unbedingt weiterempfehlen. Es hilft dabei, sein Konzept zu überprüfen und an der eigenen Strategie und Argumentation zu arbeiten. Dies ist gerade bei komplexen Themen im Life Science Bereich wichtig.
Wie waren Ihre Erfahrungen, als Frau in der Wissenschaft durchzustarten?
Ichhabe bisher persönlich als Frau keine von außen gemachten Nachteile erfahren. Vor dem Kinderkriegen in frühen Berufsjahren sehe ich sowieso keine Chancenunterschiede in meiner Generation. Tatsächlich gibt es mittlerweile viele Förderprogramme, die sogar ausschließlich darauf abzielen, Frauen zu stärken. Besonders die Medizinbranche muss sich immer mehr auf die Bedürfnisse von Frauen einstellen, da sie mittlerweile den erheblichen Teil der Studienabsolventen ausmachen. Trotzdem haben Frauen Nachteile, nämlich dann, wenn Kinder ins Spiel kommen. Gleich mit dem positiven Schwangerschaftstest können sie plötzlich manche Tätigkeiten nicht mehr ausüben, beispielsweise im Labor nicht mehr mit bestimmten Substanzen arbeiten. Nach der Schwangerschaft folgen mindestens der Mutterschutz, oft noch weitere Monate der Elternzeit. Natürlich sind diese von der Gesellschaft ermöglichten Familienphasen eine echte Errungenschaft (auch für Väter!), aber es stellt gleichzeitig auch einen Bruch in der beruflichen Laufbahn dar. Um einen solchen Bruch zu überwinden, braucht man den richtigen Partner und berufliche Hilfestellung. Ich habe schon früh in meinem Berufsleben meine Chefin Simone Spuler kennengelernt, die mich dabei immer unterstützt und vor allem auch gefordert hat. Ein Vorteil in der Wissenschaft ist in jedem Fall, dass man sich sehr stark beruflich involvieren, ehrgeizig sein Ziel verfolgen kann und gleichzeitig etwas flexibler in der zeitlichen Einteilung ist.
Welche Tipps haben Sie an angehende GründerInnen?
Ich weiß nicht, ob ich schon Tipps geben kann. Wir arbeiten konzentriert an unserem Ziel, aus einem innovativen Forschungsergebnis einen Nutzen für den Patienten zu entwickeln. Wichtig scheint mir, dass man immer wieder sein Vorgehen mit anderen diskutiert und aufs Neue überprüft. Auch fachfremde Perspektiven sind hier hilfreich, gerade je detaillierter und komplexer ein Thema. Zudem ist es essentiell, die langfristige Strategie im Kopf zu behalten. Die Zeitspannen bei einer Therapieentwicklung sind enorm lang. Man stellt früh wichtige Weichen. Fehler können erst in ein paar Jahren zu Tage kommen und sind dann vielleicht nur noch schwer korrigierbar. Davor habe ich Respekt. Dabei, das Ganze vom Ende her zu denken, helfen auch Initiativen wie Science4Life. Man lernt komplexe Dinge zu strukturieren und Kernmaßnahmen herauszuarbeiten.

 

Über Dr. Verena Schöwel:
Dr. Verena Schöwel ist Ärztin und Forscherin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und der Berliner Universitätsklinik Charité in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Simone Spuler. Das Team von MyoPax arbeitet an regenerativen Therapien gegen Muskelschwund, um bislang unheilbare Muskelkrankheiten behandeln zu können. Der Eintritt in eine klinische Studie ist für 2021 geplant. Außerdem hat das Forscherteam das Ziel, bei genetisch bedingten Muskelkrankheiten in patientenspezifischen Muskelstammzellen den individuellen Gendefekt zu reparieren, um mit diesen Zellen neues gesundes Gewebe aufbauen zu können. Durch den zeitnahen Aufbau der MyoPax-Gewebebank soll heute schon Muskelgewebe von Patienten mit einer fortschreitenden Muskelkrankheit arzneimittelgerecht aufbereitet und so lange aufbewahrt werden, bis diese Zellen in einem Therapieverfahren verwendet werden können.

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02.12.2024

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Teilnahmerekord in der Ideenphase: Das sind die besten Geschäftsideen aus 142 Einreichungen

25.11.2024

Die Gewinner der Ideenphase stehen fest! Aus einer Rekordzahl von 142 eingereichten Ideen aus Life Sciences, Chemie und Energie setzten sich die Gewinnerteams mit innovativen Ansätzen für die Zukunft durch. In der Ideenphase des Science4Life Venture Cup gewinnen Blueprint Biomed, CiX, EpiCure, Phos4nova und Plantman. Beim Science4Life Energy Cup gewinnen FF Frontier Fuels, Radiant Systems und WeldNova – und diese Ideen stecken hinter den Namen. Am vergangenen Freitag erreichte die 27. Wettbewerbsrunde von Science4Life ihren ersten Höhepunkt: Die besten Geschäftsideen aus Life Sciences, Chemie und Energie wurden bei der Ideenprämierung online ausgezeichnet. Neben den Gewinnerteams gab es auch einen Rekord zu feiern, denn mit 142 Einreichungen gab es so viele Teilnehmer wie noch nie. 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Die bioabbaubare Technologie ist zum Patent angemeldet und ermöglicht es, die Nutzung schwermetallhaltiger Kontrastmittel zu vermeiden – das ebnet den Weg zu neuen Nano- und Biomaterialien. Inspiriert von der bemerkenswerten Widerstandsfähigkeit von Pflanzen gegen schädliche Proteinaggregate hat Plantman aus Köln ein Pflanzenprotein identifiziert, das das Potenzial hat, die mit der Huntington-Krankheit verbundenen toxischen Proteine zu unterdrücken. Dieser innovative therapeutische Ansatz verspricht erstmals eine Heilung der Huntington-Krankheit und gibt den betroffenen Patienten Hoffnung. Das sind Gewinner der Ideenphase des Science4Life Energy Cup Die FF Frontier Fuels GmbH entwickelt innovative Biotreibstoffe für die Schifffahrt, die auf industriellen Reststoffen basieren und sowohl kostengünstiger als auch nachhaltiger als bestehende Alternativen sind. Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern scheitern an ihrer administrativen und rechtlichen Komplexität. Mit ihrem Solarstrom-Verteiler löst Radiant aus Konstanz dieses Problem an der technischen Wurzel und macht Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern so einfach wie auf Einfamilienhäusern - ganz ohne Mieterstrom oder Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV). Die WeldNova GmbH aus Berlin entwickelt eine elektromagnetische Badstütze für die produzierende Industrie. Diese ermöglicht erstmals den Einsatz des Laserstrahlschweißens beim Schweißen dicker Bleche. Damit kann die Produktivität des Schweißprozesses bei großen Stahlkonstruktionen um den Faktor zehn gesteigert und die Kosten um bis zu 90 Prozent gesenkt werden. Start der Konzeptphase: Einsendeschluss im Januar Ab sofort beginnt die Konzeptphase von Science4Life und dein Start-up kann dabei sein – meldet euch einfach bis einschließlich 20. Januar 2025 online unter www.science4life.de an und reicht euer Geschäftskonzept in Form eines Read Deck ein. 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Warum der Aufbau einer Unternehmenskultur für Start-ups essentiell ist

18.10.2024

Prototypen fertigstellen, Investoren finden, Sales-Funnels aufbauen – die Prioritäten bei der Gründung der meisten Start-ups sind ähnlich, und das aus gutem Grund. Doch sobald ein junges Unternehmen beginnt, seine ersten Mitarbeiter einzustellen, eröffnen sich neue Herausforderungen. Eine solche Herausforderung ist das Schaffen einer Unternehmenskultur. Eine gute Unternehmenskultur ist die Basis dafür, Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, meint Kim Hampel – Operational Excellence Manager für die Biotest AG. Im Science4Life-Interview verrät er, wie Start-ups mit diesem Thema umgehen können und wo die Unterschiede zu etablierten Unternehmen liegen. Was bedeutet „Unternehmenskultur“? Was beinhaltet sie und wie wird sie definiert? Ich denke, es ist sinnvoll, sich zuerst mit dem Begriff „Kultur" vertraut zu machen, bevor man sich mit „Unternehmenskultur" auseinandersetzt. Der Begriff „Kultur" ist meines Erachtens nicht trivial und wird zudem unterschiedlich definiert. Die Definitionen zum Begriff haben jedoch gemeinsam, dass Meinungen, Ansichten oder Haltungen beschrieben werden, die zu einem Verhalten führen, das sich über längere Zeiträume bewährt hat. Ein Beispiel dafür ist der Respekt vor Hierarchien und älteren Personen in China, Indien oder Japan. In ähnlichen Regionen wird zudem zumeist nur indirekt kommuniziert, da nicht erwünscht ist, dass man seine Meinung direkt kundtut und widerspricht, während in z.B. Amerika direkte Kommunikation und die aktive Beteiligung an Diskussionen gewünscht ist. Kulturen entwickeln sich nicht ad hoc, sondern unterliegen Zyklen sowie politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Es wird auch beschrieben, dass Ansichten und Verhaltensweisen bei Generationsübergängen weitergegeben werden. Vielleicht erkennt der ein oder andere selbst, dass manche Haltungen und Verhaltensweisen zumeist angenommen und akzeptiert werden, da subjektiv gesehen initial ein „funktionierendes System" wahrgenommen wird. Ich möchte damit jedoch keinesfalls sagen, dass wir nicht in der Lage sind, Haltungen oder Verhaltensweisen zu hinterfragen. Allerdings dürfte es vielen bekannt vorkommen, dass in bestehenden Unternehmen gewisse Haltungen und Ansichten aufgrund etablierter Prozesse und Strukturen zumeist akzeptiert und übernommen werden. Um den Begriff "Kultur" noch etwas greifbarer und messbarer zu machen, wurden durch Hofstede unterschiedliche Kultureigenschaften geprägt. Bei den Kultureigenschaften handelt es sich um "Machtdistanz" [1.], die Ausprägung des "Individualismus" (Teamgedanke) [2.], ob der Umgang innerhalb des Kulturkreises "feminin" oder "maskulin" geprägt ist [3.], die Ausprägung der "Langfristorientierung" [4.], die "Unsicherheitsvermeidung" [5.] oder des "Genusses" bzw. "Verzichtes" [6.]. Die Kultureigenschaften sind durchaus auf die eigene Unternehmenskultur übertragbar und können dabei helfen, eigene Haltungen und Ansichten sowie die der Unternehmensorganisation zu reflektieren. Klassisches Unternehmen vs. Start-up: Welchen Stellenwert hat die Unternehmenskultur? Der Begriff Kultur hat für ein Unternehmen, sei es ein Start-up oder ein bestehendes Unternehmen, zunächst keinen wichtigen Stellenwert per se, vorausgesetzt die Prozesse und Strukturen im Unternehmen greifen reibungslos ineinander. Dies kann jedoch meiner Meinung nach nur für einen eingeschränkten Zeitraum zutreffen, in dem wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen, der Reifegrad des Kernprodukts und technologische Entwicklungen innerhalb des Wettbewerbs übereinstimmen. Eine solche „Symbiose" wird jedoch vermutlich in den wenigsten Fällen zutreffen. Politische Situationen verändern sich kontinuierlich und beeinflussen die Märkte. Es finden stets Veränderungen der Wettbewerbssituation aufgrund technologischer Entwicklungen statt. Aus diesem Grund ist es sowohl für bestehende Unternehmen als auch für Start-ups relevant, sich mit der Unternehmenskultur auseinanderzusetzen und zu reflektieren, welche Haltungen und Verhaltensweisen im Unternehmen gelebt werden sollen und welche der aktuellen Marktsituation angemessen sind, um die Wettbewerbsfähigkeit positiv zu beeinflussen. Gerade bei Neugründungen gibt es viele Herausforderungen: Finanzierungen, Entwicklung von Prototypen, erste Marktreife – wo bleibt da die Zeit für eine Unternehmenskultur? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken? Ich denke, die Unternehmenskultur wird bereits zum Zeitpunkt der Gründung durch die Rahmenbedingungen der Märkte beeinflusst. Es macht daher durchaus Sinn, sich mit der aktuellen Situation innerhalb und außerhalb des Unternehmens auseinanderzusetzen. Dabei sollte reflektiert werden, welche strategischen Ziele das Unternehmen verfolgt und welche Kultureigenschaften bei den Mitarbeitenden gewünscht sind, die dazu beitragen, die Unternehmensziele zu erreichen. An dieser Stelle gibt es kein „richtig oder falsch", denn jedes Unternehmen kann je nach Branche unterschiedlich strukturiert und aufgebaut sein. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass aufgrund des stetigen Wettbewerbs Agilität und kontinuierliche Prozessverbesserung für jedes Unternehmen, egal ob während oder nach der Gründung, eine elementare Rolle spielen. Diese Faktoren können durch die Unternehmenskultur maßgeblich beeinflusst werden. Es ist daher wichtig, die Rahmenbedingungen aktiv wahrzunehmen. Was ist für eine starke Unternehmenskultur nötig? Könntest du uns in ein paar konkreten Schritten erläutern, wie Gründer diese implementieren können? Zum Glück gibt es bei der Beurteilung von Kulturen kein „richtig" und kein „falsch". Es ist daher nur subjektiv zu beantworten, ob eine Unternehmenskultur stark ist. Relevant sind hierfür die Unternehmensziele und die notwendigen Kultureigenschaften. Diese sollten im Umkehrschluss mit den Verhaltensweisen und Haltungen der Mitarbeitenden übereinstimmen.  Die Frage, ob die gelebte Kultur für das Unternehmen eine „starke" Kultur darstellt, wird zudem selten gestellt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erkennen, ob und wie Differenzen ausgeprägt sind. Differenzen können sich beispielsweise beim Nichterreichen von spezifischen Zielen widerspiegeln, wobei dies in der Regel nicht allein auf die Kultur beschränkt ist. Differenzen zwischen der gewünschten und der tatsächlich gelebten Kultur können leichter erkannt werden, wenn der Soll-Zustand reflektiert wird: Wo möchte das Unternehmen in 2, 5 oder 10 Jahren stehen? Welches Verhalten und welche Haltungen der Mitarbeitenden werden hierfür benötigt? Die "Kulturdimensionen" nach Hofstede sind geeignete Ansatzpunkte, um eine erste Einschätzung durchzuführen. Dies kann bspw. im Rahmen einer Umfrage geschehen: Wie gehen wir im Unternehmen mit Hierarchien um? Duzen wir uns? Neigen wir dazu, Risiken einzugehen oder vermeiden wir diese? Eine Mitarbeiterbefragung kann helfen, den Ist-Zustand zu erfassen und die Angestellten gleichzeitig aktiv bei der Reflexion mit einzubinden. ​Hierdurch wird den Mitarbeitenden zudem das Gefühl vermittelt, dass ihre Meinung und ihr Verhalten für das Unternehmen wichtig und sie an der Ausrichtung der Unternehmenskultur beteiligt sind. Wurde der Ist-Zustand ermittelt und mit dem Soll-Zustand verglichen, müssen entsprechende Maßnahmen evaluiert werden, die dazu beitragen, die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen. Entscheidend sind hierbei die Geschäftsleitung und das obere Management, die ihre Haltungen und Verhaltensweisen über die Führungskräfte an die Mitarbeitenden weitertragen und beim Umsetzen der Maßnahmen eine Vorbildfunktion einnehmen. Eine moderne Unternehmenskultur ist ja oftmals eher mitarbeiterzentriert. Wie geht das mit einer produkt-/ideenorientierten Kultur in jungen Start-ups zusammen? Ich glaube, da gibt es keinen signifikanten Unterschied. In meinen Augen ist der Erfolg eines Start-ups oder eines bestehenden Unternehmens grundsätzlich von den Mitarbeitenden abhängig. Es besteht daher in beiden Fällen immer die Schwierigkeit, dass sich Arbeitsbedingungen, Priorisierungen, das Umfeld oder Ziele schnell verändern können. Problematisch ist in meinen Augen, dass wir Veränderungen nicht umgehend akzeptieren, da wir zumeist verstehen wollen, was zu einer Veränderung geführt hat und warum diese notwendig ist. Ein gutes Change-Management berücksichtigt daher bei der Kommunikation mit den Mitarbeitenden die Gründe und Auslöser von Veränderungen. Schließlich sollte sich das gesamte Unternehmen als Team wahrnehmen und die gleichen Ziele verfolgen. Jeder von uns ist Teil eines solchen Teams und möchte, dass das Erreichen von Zielen auch gefeiert und wertgeschätzt wird. Wie analysiert man als Gründer bestehende Prozesse in seinem Start-up richtig? Gerade hier kommen ja oftmals die Themen „Betriebsblindheit“ und ein starker Fokus auf die Entwicklung der Geschäftsidee dazu. Es ist generell wichtig, Prozessanforderungen zu formulieren und mit Hilfe von KPIs zu überwachen und zu steuern. An dieser Stelle ist entscheidend, dass die KPIs die „wahren Bedürfnisse" der Prozessanforderungen erfüllen. Da spielt es vermutlich keine Rolle, ob es sich um ein Start-up oder um ein bestehendes Unternehmen handelt. Sofern relevante Geschäftsprozesse jedoch aufgrund der Unternehmensentwicklung (noch) nicht durch KPIs gesteuert werden, unterliegen Prozessprobleme vermutlich zumeist Gefühlen wie Unzufriedenheit oder Demotivation. Das Ergebnis kann sein, dass die Routine ständig durch Priorisierungen und „Firefighting“ geprägt ist. Hierbei ist es wichtig, das Gefühl erst einmal bewusst wahrzunehmen und anhand von Daten messbar zu machen. Fragen wie „Welcher Prozess läuft schlecht?" und „Was sind meine Anforderungen an den Prozess, damit ich zufrieden bin?" werden z. B. im Rahmen von Lean Sigma strukturiert erörtert. Hierbei handelt es sich um anerkannte Managementpraktiken, um Ziele klar zu formulieren, Probleme messbar zu machen, datenbasiert zu analysieren, zu verbessern und relevante KPIs zu entwickeln. Eine Belegschaft sollte daher auch mit Begriffen des Lean Managements wie z.B. "TIMWOOD" vertraut sein und für Prozessverbesserung sensibilisiert werden. Wie bereits erwähnt, wird die Voraussetzung hierfür durch die Geschäftsleitung und das obere Management geschaffen. Die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist aus meiner Sicht auch eine sehr wertschätzende Maßnahme, um Verbesserungen im Unternehmen anzustoßen und zu fördern. Betriebsblindheit tritt meiner Einschätzung nach zumeist in Organisationen auf, in denen mangelhaft kommuniziert, keine kontinuierliche Verbesserung praktiziert und die Fehlerkultur negativ beeinflusst wird. Um Oakland und Tanner zu zitieren: „Most people start work for an organisation with positive attitudes and behaviours and it is frequently the systems and environment that cause problems and deterioration“ (Successful Change Management, 2007). Wir sollten daher niemals vergessen, dass wir alle Menschen sind und Träume und Ziele verfolgen. Dies treibt uns an! Es liegt daher in unserer Natur, dass wir uns in Gruppen organisieren, um mithilfe kontinuierlicher Verbesserung unsere Ziele zu erreichen. Schließlich können wir dann gemeinsam Erfolge feiern. 

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